Artikel in einer regionalen Zeitung    SykerKurier  Ausgabe Nr. 27 vom 1. Februar 2003

 

Von dem Redakteur: Ralf Michel

 

Es geht doch auch um die Existenz einer Familie

Oder:

Wie in Jahrdinghausen der Traum vom eigenen Betrieb für einen Schwerstbehinderten im finanziellen Ruin endete.

 


Werner an der Maschine 

Foto: Meissner

 



 

Syke-Jahrdinghausen. Ein schwerstbehinderter Mensch, der nicht aufgibt, sondern sein Schicksal selbst in die Hand nimmt. Der sich ein kleines Unternehmen aufbaut und in seinem Handwerk so erfolgreich ist, dass er sogar an eine Betriebserweiterung denkt... Die Geschichte klingt zu schön, um wahr zu sein.

 

Werner Wiegmann lebt mit seiner Familie in Jahrdinghausen. Seit 1982 ist der gelernte Elektroinstallateur nach einem Verkehrsunfall halbseitig gelähmt und leidet unter erheblichen Atem-, Schluck- und Sprachstörungen. Nach einem Jahr Reha-Klinik und anschließender Erholungszeit versuchte er Stück für Stück, sein neues Leben in den Griff zu bekommen. Erfolge, wie der Erwerb des Führerscheins Klasse 3 stellten sich ein, doch eine Tür blieb für ihn verschlossen die zum Arbeitsmarkt, "So einen wie mich auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln... könn’se vergessen.

 

In seiner Garage begann Werner Wiegmann mit Holz zu arbeiten und entdeckte dabei das Drechseln. Aus der Garage wurde eine Werkstatt, aus dem Hobby ein Beruf, 1986 meldete er unter dem Namen seiner Frau ein Gewerbe an: "Holzverarbeitung Wiegmann - industrielle Herstellung von gedrehten Holzteilen " Hauptsächlich drechselte er Füße für Möbel und Geländerstäbe für Treppen, Mit Erfolg: Im Laufe der Jahre zählten immer mehr Tischlereien zu seinen Kunden. Wiegmann modernisierte seine Maschinen. 1999 nahm er einen Kredit auf um eine neue Garage zu finanzieren.

 

Das Unheil nahm zu diesem Zeitpunkt jedoch längst seinen Lauf Der 45-Jährige wohnt im hintersten Zipfel Sykes, im Benser Weg. Auf weiter Flur nur zwei Häuser. Wiegmanns und ihre Nachbarn. Die jedoch fühlen sich zunehmend gestört. " Wir hatten immer eine nette Nachtbarschaft gehabt und auch immer hinter ihm gestanden erzählt Birgit Stelling. Aber irgendwann muss es auch mal um unsere Interessen gehen. Gemeint ist damit der Lärm aus der zum Stelling´schen Grundstück hin gelegenen Werkstatt. Mittags abends und am Wochenende feiertags – „ Krach ohne Ende „ Dabei habe es an Gesprächen oder Vermittlungsversuchen nicht gefehlt. Aber das hat alles nichts genutzt, es ging permanent weiter wie zuvor.

Werner Wiegmann bestreitet all dies, doch am Einspruch seiner Nachbarn scheiterte letztlich nicht nur die Fertigstellung der neuen Garage, sondern auch die Duldungsverfügung des Landkreises, dass Wiegmann im Außenbereich seine Garage zu gewerblichen Zwecken nutzen darf.

"Wir haben wirklich alles versucht", bestätigt Holger Schwenzer, zuständiger Fachdienstleiter beim Landkreis, die Version der Stellings. Es habe etliche Termine vor Ort gegeben, und der Kreis sei wegen des besonderen sozialen Aspekts zu einer wohlwollenden Duldung des eigentlich nicht zulässigen Betriebes bereit gewesen. Doch die mit den Betroffenen gemeinsam erarbeiteten Rahmenbedingungen - zeitliche Absprachen wann gearbeitet werden durfte und wann nicht - seien nicht eingehalten worden.

 

Baustopp für die Garage, keine Duldungverfügung der Umnutzung - Wiegmann musste sein Gewerbe abmelden, Nachdem so die Einnahmen wegfielen, konnte er seine Kredite nicht zurückzahlen. Inzwischen ist er hochverschuldet, sein Haus steht zum Verkauf.

 

Petra Caspari-Bruns von der Erwachsenen-Rehabilitation der Syker Lebenshilfe, die Werner Wiegmann betreut, will sich damit nicht abfinden, hofft weiter auf eine Lösung. Sie wisse um das Verständnis von Nachbarn und Kreis, akzeptiere auch die rechtliche Lage. "Aber wie man es dreht und wendet: Hier ist ein Behinderter, der es aus eigener Kraft geschafft hat, und dann hat er nur Schwierigkeiten..." Ganz zu schweigen davon, dass es "doch auch um die Existenz einer Familie geht.  Für den Betrieb sei s unwiderruflich zu spät, aber dass er als Schwerstbehinderter für sich, seine Frau. zwei Kinder und seinen Vater jetzt auch noch auf Wohnungssuche gehen muss das kann doch alles nicht wahr sein.

 

Werner Wiegmann darf heute nicht einmal mehr hobbymäßig in seiner Garage drechseln. Hartes Brot für einen, für den Arbeit einfach alles bedeutet. Das war mein Lebensinhalt. Auf die Frage was er heute den ganzen Tag mache zuckt er mit den Achseln. „Nichts. Fernsehen.“ Wahr ist diese Geschichte. Schön ist sie nicht.



Home